Am 12. Januar 2023 – 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung - ist die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (VO (EU) Nr. 2022/2560 – Foreign Subsidies Regulation „FSR“) in Kraft getreten. Ziel der FSR ist die Kontrolle wettbewerbsverfälschender Subventionen aus Drittstaaten an im gemeinsamen Markt tätigen Unternehmen im Zusammenhang mit bestimmten Transaktionen und öffentlichen Ausschreibungen. Die in der FSR geregelten Anmeldepflichten insbesondere von im Zusammenhang mit bestimmten Arten von Transaktionen gewährten Subventionen erfordern im Vorfeld von M&A-Deals eine weitere Prüfung und ggfs. die Durchführung eines förmlichen Verfahrens bei der Europäischen Kommission, unabhängig von Prüfungs- und Anmeldepflichten nach fusionskontrollrechtlichen oder außenwirtschaftlichen Vorschriften.
Hintergrund der FSR
Von EU-Mitgliedstaaten gewährte Subventionen sind Gegenstand des EU-Beihilfenrechts. Von Drittstaaten gewährte Subventionen werden von diesen Regelungen hingegen nicht erfasst, selbst wenn sie in der EU ansässigen Unternehmen gewährt werden. Ziel der FSR ist es deshalb, Drittstaatensubventionen unter bestimmten Voraussetzungen einer Kontrolle durch die Europäische Kommission zu unterwerfen, um etwaige hierdurch verursachte Wettbewerbsverfälschungen im Gemeinsamen Markt zu verhindern.
Anwendungsbereich der FSR
In den weiten und teilweise unbestimmten Anwendungsbereich der FSR fällt
- eine Subvention, d. h. die Gewährung einer direkten oder indirekten finanziellen Zuwendung, die einen Vorteil für das empfangende Unternehmen darstellt; der weite Begriff der Subvention umfasst neben unmittelbaren Zahlungen, der Gewährung von Darlehen oder Garantien auch andere fiskalische Incentivierungen; im Zusammenhang mit M&A-Deals ist es unerheblich, ob die Subvention unmittelbar zur Finanzierung des Erwerbsvorgangs gewährt wird oder nicht;
- an ein Unternehmen, einschließlich staatlichen Unternehmen, welches innerhalb der EU wirtschaftlich aktiv ist; als wirtschaftliche Aktivität wird auch der Zusammenschluss mit einem anderen, in der EU ansässigen Unternehmen und die Beteiligung an einem öffentlichen Vergabeverfahren in der EU angesehen;
- durch einen Drittstaat, d. h. durch die Regierung oder andere Teile der öffentlichen Verwaltung oder durch ein ausländisches öffentliches zu oder privates Unternehmen, dessen Aktivitäten dem Drittstaat zugeordnet werden können.
Prüfungsmaßstab der EU-Kommission
Die Kommission prüft ist, ob die Subvention zu einer Wettbewerbsverfälschung im Gemeinsamen Markt führt. Hierbei kommt es insbesondere auf die Höhe und Art der Subvention, die Umstände ihrer Gewährung und den Zweck an. Eine Wettbewerbsverfälschung ist unwahrscheinlich, wenn die Subvention in den vergangenen drei Jahren insgesamt einen Betrag von EUR 4 Mio. nicht überschreitet oder weniger als EUR 200.000 pro Drittstaat beträgt oder im Zusammenhang mit Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen gewährt wird
Stellt die Kommission eine solche Wettbewerbsverfälschung fest, kann sie erforderlichenfalls eine Abwägungsprüfung durchführen, und auch die positiven Auswirkungen der Subvention zu berücksichtigen. Wiegen die negativen Folgen schwerer als die positiven, kann die Kommission Unternehmen strukturelle oder nicht strukturelle Abhilfemaßnahmen auferlegen, um die Verzerrung zu beheben, oder entsprechende Verpflichtungszusagen akzeptieren (z. B. die Veräußerung bestimmter Vermögenswerte oder das Verbot eines bestimmten Marktverhaltens).
Prüfungsinstrumente der EU-Kommission
Die FSR sieht drei Instrumente vor, um der Kommission diese Prüfung zu ermöglichen:
- Anmeldepflicht für Unternehmen von bestimmten Zusammenschlüssen (s. u.);
- Anmeldepflicht für Unternehmen von Gebote im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren, bei denen der geschätzte Auftragswert mindestens EUR 250 Mio. beträgt und das Angebot eine drittstaatliche finanzielle Zuwendung von mindestens EUR 4 Mio. pro Drittland umfasst;
- Ermächtigung der Kommission, auch in allen anderen Marktsituationen eine Prüfung von Amts wegen durchzuführen und für kleinere Zusammenschlüsse und öffentliche Vergabeverfahren eine Ad-hoc-Anmeldung zu verlangen, wenn der Verdacht auf eine den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subvention besteht.
Insbesondere Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen
Zusammenschlüsse müssen vor ihrem Vollzug, aber erst nach Abschluss des Vertrages oder Bekanntgabe eines öffentlichen Angebots unter den nachfolgenden Voraussetzungen bei der Kommission angemeldet werden:
- die Verschmelzung von zwei oder mehr zuvor unabhängigen Unternehmen, der Erwerb direkter oder indirekter Kontrolle über ein Unternehmen durch eines oder mehrere Unternehmen oder die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, welches auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt;
- bei denen der Umsatz des erworbenen Unternehmens, eines erwerbenden Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens in der EU mindestens EUR 500 Mio. beträgt und das Rechtsgeschäft eine drittstaatliche finanzielle Zuwendung von mindestens EUR 50 Mio. beinhaltet;
- keine der Ausnahmen bspw. für Kreditinstitute und Versicherungen erfüllt ist.
Sowohl die Zusammenschlusstatbestände als auch die Art der Umsatzberechnung entsprechen derjenigen der EU-Fusionskontrollverordnung („FKVO“). Die Ermittlung der Höhe der finanziellen Zuwendungen ist besonders dann mit Bewertungsunsicherheiten verbunden, wenn sich diese aus nicht ohne weiteres zu beziffernden Vorzugskonditionen oder Steuererleichterungen zusammensetzen.
Die Anmeldepflicht geht einher mit einem Vollzugsverbot bis zur endgültigen Entscheidung der Kommission über die drittstaatliche Subvention. Verstöße gegen das Vollzugsverbot können mit Geldbußen von bis zu 10 %, falsche Angaben im Zusammenhang mit der Anmeldung mit bis zu 1 % des aggregierten Umsatzes der jeweiligen Unternehmensgruppe im vergangenen Geschäftsjahr geahndet werden.
Die Anmeldepflicht tritt 9 Monaten nach Inkrafttreten der FSR in Kraft, mithin am 12. Oktober 2023.
Prüfungsverfahren bei Subventionen im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen
Das Prüfungsverfahren und die Fristen entsprechen weitgehend denen der FKVO, d. h.
- die EU-Kommission hat eine Frist von 25 Werktagen nach Erhalt der Anmeldung zur vorläufigen Prüfung der Subvention; verneint sich hiernach die Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung des Binnenmarktes, informiert sie hierüber insbesondere die Unternehmen (eine förmliche Entscheidung unterbleibt also);
- anderenfalls muss die EU-Kommission innerhalb einer Frist von 25 Werktagen eine vertiefte Untersuchung einleiten und hat dann innerhalb einer Frist von 90 Werktagen (die sich bei der Abgabe von Verpflichtungszusagen um 15 Werktage verlängert) eine abschließende Entscheidung zu treffen, d. h. den Zusammenschluss zu genehmigen, ggf. nach Abgabe entsprechender Verpflichtungszusagen der Unternehmen nur unter Auflagen, oder aber zu untersagen.
Das bis zum Ablauf der vorgenannten Fristen bzw. zum Erlass einer abschließenden Entscheidung der EU-Kommission geltende Vollzugsverbot gilt dauerhaft, wenn die Kommission die Transaktion untersagt. Die fusionskontrollrechtliche Freigabe genügt für den Vollzug des Zusammenschlusses mithin nicht (mehr).
Fazit
Allen Unternehmen, die im Zusammenhang mit einem geplanten M&A-Deal, der ein in der EU ansässiges Unternehmen betrifft, drittstaatliche Subvention erhalten sollen, ist zu empfehlen - neben den bereits etablierten fusionskontrollrechtlichen und außenwirtschaftlichen Prüfungen – eine Prüfung nach der FSR durchzuführen. Die Maßstäbe der materiellen Prüfung durch die EU-Kommission sind noch recht unbestimmt; eine erste Guidance sollte sich durch die von der EU-Kommission innerhalb von 3 Jahren nach Inkrafttreten der FSR zu veröffentlichenden Leitlinien ergeben. Entsprechendes gilt für die Einzelheiten des Verfahrens, die die EU-Kommission in von ihr ebenfalls noch zu erlassenden Verordnungen regeln wird.